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Dorfgeschichten: Von Gäulen und Pferden

Jetzt hat der Pfarrer gefragt, wann die Mutter daheim ist. Er muss mit ihr reden.  Weil, er soll auf die Lateinschule. Das geht nicht, sagt er und die Mutter ist nie da und hat auch keine Zeit.

 

Das ist ein großes Unglück, denkt er und er hat auch gar kein Gewand für die Schule, wo die Kinder vom Doktor sind. Kunz, du halt den Mund, ich passe die Gretel nach der Messe ab.

 

Er sucht den Hund von denen über ihnen und sagt ihm das Gedicht mit dem Röslein auf. Der Hund versteht alles und schickt ihn zur Lotte. Sagen kann er der aber nichts. Er guckt nur von Weitem. Hoffentlich hat sie ihn nicht gesehen. Hat sie aber bestimmt.

 

Die Mutter sagt, heiraten hab‘ ich nicht können, weil mir der Bäcker nichts stunden wollt´ für die Hochzeit. Da hab‘ ich nie wieder ein Korn Paniermehl gekauft. Und jetzt willst Du jahrelang unnütz Zeug lernen, wo ich dich und den Fritz fürs Geld brauch‘. Und der Krieg ist noch nicht aus. Die Juden gewinnen ihn vielleicht, trotz dass sie tot sind. Das Mutterkreuz hab‘ ich bekommen und euch allen gute Namen gegeben. Von dem Goebbels und dem Göring und allen. Der Pfarrer ist aber ein Guter. Dann halt ja, und gnade dir Gott.

 

Jetzt fährt er morgens mit dem Fahrrad nach Bronnstett, wo die Lateinschule ist und viele Leute wohnen, die untereinander nicht verwandt sind. Direkt neben der Schule ist das Pallä vom Fürst, den nie einer sieht. Die Fürstin gibt es aber. Sie reitet im Stadtpark auf einem großen Pferd um den See. Sie sieht aus, wie wenn ihr lieber wär´, dass der Gaul, das Pferdpferd, durchgehen tät.

 

Auf Lateinisch ist auch ein Unterschied zwischen Gaul und Pferd. Gäule gibt es im Dorf, sie sind schwer und sicher. Das Pferd von der Fürstin hat dürre Beine, weil es früher vielleicht ans Karussell geschraubt war. Der Hitler hat es befreit, genau wie das deutsche Volk. Das hängt jetzt auch nicht mehr am Seil vom Jud und den Kommunisten. Hoffentlich gehöre ich zum Volk, denkt er. Es wird aber schon alles stimmen. Die Mutter hätte sonst nicht ein Maul, wo zehn Rotkäppchen reinpassen. 

 

Ein Jud möcht´ keiner sein. Hässlich wie das Rumpelstilzchen ist er auf dem Plakat an der Kirche, mit Blut an den Händen vom Goldspinnen und vom Morden. Was die Thea erzählt, passt da gar nicht. Sie ist im Haushalt in Frankfurt bei einem. Der ist nicht ganz normal, sagt sie. Immer freundlich, sogar wenn die Weincreme flockt. Die Nase ist aber in Ordnung, eine elegante wie dem Cäsar seine, der von den Römern.

 

Wahrscheinlich verwandelt sich der Jud in der Nacht. Das geht ihm manchmal auch so. Er fährt dann nachts mit dem Moped zur Lotte ihrem Haus, Lotteslotteshaus. Guten Tag, Herr Schneidermann, darf ich bitte Ihre Tochter zum Picknick abholen? Was das ist, ein Picknick? Nun, Herr Schneidermann, wir suchen uns ein schönes Plätzchen auf der Wiese und essen Brote mit dick Wurst. Der Herr Schneidermeister sagt nie ja. Er muss ihn deswegen oft mit dem großen Bügeleisen oder der Schere.

 

Die Kommunisten sehen im Vergleich gut aus in der Zeitung und sind stark unterm Hemdsärmel. Aber sie verlieren immer beim Faustkampf gegen das Volk. Vielleicht könnt er denen was beibringen und wär´ dann ganz vorn abgebildet. Oder hinten, aber größer als die in der ersten Reihe. Auf einem Stuhl oder mit so Fototricks. Er tät nie, würdewürde nie weggucken. Sein Gesicht wär´ verschlossen wie dem Cäsar seins und innen hätte er ein gutes Versteck für den Stolz.

 

Wenn der Jud die Muskeln trainieren tät, könnt´ er vielleicht bei den Kommunisten mitmachen. Das wär’ dann gefährlich für das Volk, aber für manche richtig. Beim Pfarrer weiß er nicht. Die Mutter tät’ ihm freilich leid. Er müsste dann in den Wald und Feuer machen. Das Pferd von der Fürstin käme in letzter Minute und sie reiten von Bagdad nach Stambul.

 

Foto: pixabay

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Mechthild (Sonntag, 08 April 2018 12:56)

    Liebe Blog-Leser*innen, liebe Susanne

    ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich will einmal mehr wissen wie es weiter geht.
    Kannst du da nicht einen Roman oder zumindest eine Erzählung draus machen, liebe Susanne? Ich kenn da jemanden, der jemanden kennt bei Verlagen...

    Erwartungsvoll und sonnig grüßend

    Mechthild