Eingemacht

 

Neulich habe ich von einem fiesen Gesellschaftsspiel gehört. Man sitzt in einer befreundeten Runde. Hat schön gegessen, getrunken und erfolgreich seine Lieblingsrolle aufgeführt. Nach dem Dessert bittet die Gastgeberin: Stellt euch vor, ihr verlasst einzeln den Raum. Wir sollen euch dann eine Eigenschaft zuordnen. Welche sollte das auf keinen Fall sein?

 

Also nicht der Quatsch aus Handbüchern für Bewerbungsgespräche. Nicht was Tolles, das nur andersrum genannt wird. Nicht die berühmte Ungeduld. Freundliche Schonung wie temperamentvoll statt jähzornig oder fürsorglich statt übergriffig kommt nicht in Frage. Allseits bekannte kleine Schwächen sind auch nicht erlaubt. Stur, geizig, nachtragend – vergesst es. Schlampig, vorlaut, eitel – geschenkt. 

 

Es geht ums Eingemachte. Dabei denke ich immer an Heidelbeeren und Gurken im Weck-Glas. Leider auch an abgeschnittene Finger und Affenköpfe in Formaldehyd. Dabei kenne ich die ekligen Sachen nur aus Filmen. Unser Bio-Lehrer hat so was nie dabei gehabt, soweit ich mich erinnere. Deshalb hat mich der Hinweis „Enthält Formaldehyd“ auf Shampoo-Flaschen früher in große Konflikte gestürzt. Nehme ich das Zeug, weil es meine Haare weit über den Tod hinaus seidig macht? Oder lass ich es sein, wegen der bedenklichen Zutaten aus Leichenteilen?

 

Die hinterlistige Gastgeberin will nun das verstaubte Einweck-Glas ganz hinten im Kellerregal aufmachen. Nur kurz an der Lasche vom Dichtungsgummi ziehen und dann schnell sagen, was drin ist. Birnenhälften könnten es sein. Aprikosen nicht. Obst für später, im Winter, wenn wir den Kohl satt haben. Aber die Früchte verderben manchmal mit den Jahren. Das Glas nicht gut ausgekocht, der Gummi schlechte Qualität. Gerade bei Kleinigkeiten kommt es oft sehr drauf an. Dann ist Schimmel auf dem Sud und die Birnen sehen aus wie verkümmerte, nun ja.

 

Einige Antworten auf die unverschämte Frage sind mir eingefallen. Auf eine einzige kann ich mich nicht festlegen. Deshalb gibt’s hier nichts für Neugierige. Müsst schon selber überlegen.

 

Also nur Salonfähiges vom Büchermarkt. Ich wäre nicht gerne eine von denen, deren Gerechtigkeitssinn mit dem eigenen Ich total ausgelastet sind. Vielleicht lese ich im Sommer die 345 Seiten von Sarah Wagenknechts DIE SELBSTGERECHTEN. Wahrscheinlicher sind aber Kochbücher zum Einmachen.

 

Foto Susanne

 

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