Frauenzeugs

 

Jetzt regt sich auch noch die Heidenreich auf über Kölner*innen, Journalist:innen und RechthaberInnen. Dann kann wirklich nichts Gutes dran sein am Gendern. Also am Hinweis darauf, dass der Pilot auch eine Pilotin sein könnte. Frau Heidenreich ist immerhin ein ausgewiesener Fachmann für Lesetipps, langjähriger Angestellter beim Öffentlichrechtlichen, Kölner Platzhirsch an allen Orten, wo Presse hinkommt.

 

Aber Frauen umständlich in die deutsche Muttersprache reinzwängen? Unschön, unnötig. Eine Unart stilloser Gutmenschen zum Schaden der deutschen Literatur. Sogar Thomas Mann hat sich schon unwillig gemeldet von drüben. Katia war dagegen.

 

Wo bleiben bei dem Unsinn der natürliche Sprachfluss und die feine Tradition? Luthers „sprachschöpferische Leistung“ bei der Bibelübersetzung lassen wir hier mal weg. Auch das Hochdeutsche als „Ergebnis bewusster sprachplanerischer Eingriffe“ ist natürlich etwas ganz anderes. Am Ende zählt vor allem der Heidenreich ihre Lebensleistung in der Männerwelt.  

 

Fehlt nur noch, dass Alice Schwarzer auch ...   Die hat nämlich viel Sinn fürs echte Leben. Wie dieses so hergerichtet ist von den Männern für die Frauen. Sie kennt sich ebenfalls mit Buchstaben aus. Womöglich ist das Schreiben und Sprechen ja ohne jeden sinnvollen Zusammenhang mit der Welt und wie es da so zugeht? Man weiß ja nie heutzutage. Der S-T-U-H-L hat schließlich auch nicht das Geringste mit dem gemeinten Gegenstand zu tun. Es sei denn, das S steht für Wirbelsäule, das T für Hocker, das U für Armlehnen, das H für Bauhausklassiker und das L für jetzt mal aufs Sofa.

 

Frau Schwarzers Lebensleistung in der Männerwelt ist jedenfalls auch nicht schlecht. Aber leider leider sehr einseitig. Muss man schon sagen. Immer die Frauen im Blick. Als ob es sonst nichts gäbe.

 

Ich würde mal sagen, es gab lange genug keine Frauen im öffentlichen Text. Auf den ganz alten Grabsteinen im Kölner Friedhof Melaten zum Beispiel steht „Geheimrat a.D. Anno Severin Knörzgen und seine treusorgende Gattin“. Später in der Grabesgeschichte kriegt die Ehefrau wenigstens einen Vornamen. Luitgard oder Mathilda. Geborene MüllerMeierSchulz kommt vom Vater her dazu. Es folgen, ganz langsam, extra Zeilen für die Herzensdame. Ein paar Eigenschaften, Jahreszahlen, Wohltätiges. Berufe der Frauen in der Grabinschrift sind neueren Datums. Klar.

 

Mit Ausnahme von Maria Clementine Martin. Sie war von Beruf Nonne und die Erfinderin von „Klosterfrau Melissengeist“. Das alkoholhaltige Heilwässerchen hat sie erfolgreich vermarktet. Sogar mit der Erlaubnis, den preußischen Adler auf ihren Produkten zu verwenden. Ein Gatte ist nicht erwähnt im verwitterten Stein. Geht ja praktisch nicht als Klosterfrau. Oder besser gesagt, praktisch schon, offiziell aber nicht.

 

Mich erinnert die scheinheilige Debatte ums Sternchen an die Empörung erzkonservativer Politiker in der sogenannten Flüchtlingskrise. Die Herren fanden es doof, dass so viele fremde Männer herkommen, die in Sachen Feminismus nicht so hochbegabt sind wie sie selber. Eben noch den anzüglichen Witz zu Ende erzählt, setzen sich die Kerle von 0 auf 190 km/h an die Speerspitze der Frauenbewegung. Fast lustig, die Nummer.

 

Männer und Frauen, die sich von einer kurzen Sprechpause in ihrer rhetorischen Exzellenz bedroht fühlen, sollten sich vielleicht einfach mal ein Spiegel_Ei braten. Danke Frau Kebekus.

 

Aber die Sache erledigt sich wahrscheinlich bald ganz von selbst. Die Sprachökonomie hat herausgefunden, dass umständliche Formulierungen abgeschliffen werden, weil es zu lange dauert, bis endlich der Punkt kommt. Da ist allerdings noch sehr viel zu tun im deutschen Reden und Schreiben. Vielleicht brauchen die Frauen auch nur mehr ökonomisches und politisches Gewicht. Also Einkommen und Einfluss. Dann kommen sie womöglich ganz automatisch in Sätzen vor.  

 

Foto Melaten

Zitate Wikipedia

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Nicolette (Samstag, 26 Juni 2021 12:36)

    Danke Frau Speth!
    Jetzt muss ich aber schon noch viel Achtsamkeitstraining machen, um im eigenen Sprachgebrauch unnötiges und unbewußtes Unterschlagen meines eigenen Geschlechtes aufzuspüren. Das allein lohnt schon allemal :)